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Kommunalpolitiker

Siegfried Rackwitz

Bürger und Kommunalpolitik

Was ist Kommunalpolitik und wie erlebt diese der Bürger?


Kommunalpolitik bewegt und interessiert die Bürger mehr als Landes-, Bundes-, Europa- und Weltpolitik. Etwa 70% der Bevölkerung lesen den Lokalteil ihrer Zeitung, nur ca. 17% verfolgen die überregionalen Meldungen. Kommunalpolitik interessiert aber nicht nur mehr, sie wirkt regelmäßig auch unmittelbarer und konkreter ein, und er kann sie besser durchschauen, kann mehr und besser mitsprechen und mitbestimmen. Dabei hängen Interesse, Betroffenheit, Durchschaubarkeit und Mitwirkungsbefugnis eng zusammen. Im Rahmen der Kommunalpolitik wird über die Qualität der Lebens- und Wohnverhältnisse entschieden. Sie gestaltet die häusliche Umwelt und macht auch vor der Haustüre nicht halt. Mit der Ausweisung eines Baugebietes fällt der lange ersehnte Startschuss für den Bau eines Eigenheimes. Höhere Gebühren für Wasser, Abwasser, Gas oder Strom senken den Kontostand. Öffentliche Einrichtungen wie Hallenbad, Seniorenzentrum oder Jugendeinrichtungen sorgen für Abwechslung in der Freizeit. Als Bürger kann man die Voraussetzungen der Kommunalpolitik durchschauen. Man übersieht die möglichen Folgen einer Entscheidung und spürt vor allem ihre Auswirkungen sehr schnell am eigenen Leibe.

Will man als Bürger selber die Kommunalpolitik mitgestalten, dann muss man in Nieder- sachsen allgemein in eine Partei eintreten. Ich habe mich 1974 dazu entschlossen Mitglied in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu werden. Sehr schnell wurde ich Mitglied des örtlichen Vorstandes und konnte darüber etwas mitgestalten.

Sachkundige Bürger in Ratsausschüssen

Die Niedersächsische Gemeindeordnung gibt die Möglichkeit, in bestimmten Ausschüssen den Rat der Stadt (Gemeinderat) durch sachkundige Bürger ohne bürgerschaftliches Mandat zu erweitern. Vorteile solcher Bürgermitglieder sind:

Von 1976 bis 1983 war ich Bürgermitglied im Wirtschaftsausschuss im Rat der Stadt Braunschweig. Im Gegensatz zu anderen Ländern, können in Niedersachsen sachkundige Bürger nicht voll mitbestimmen. Diese haben in den Ausschüssen nur Rederecht!

Mandatsträger zwischen Ansprüchen und Zwängen von Partei und Fraktion, Bürgern und Verwaltung

1983 bin ich im Alter von 44 Jahren für einen verstorbenen Ratsherrn nachgerückt und war bis 2006 im Rat der Stadt Braunschweig als Ratsherr tätig. In dieser Zeit wurden mir nachfolgende Aufgaben übertragen

und ich war in folgenden Ausschüssen tätig:

Als Ratsherr wird man auch als Vertreter der Stadt in Aufsichtsräte und Institutionen entsandt. Während meiner Tätigkeit habe ich mitgewirkt:

Die vielfältigen Aufgaben, Ansprüche und Zwänge, mit denen man es als kommunaler Mandatsträger zu tun hat, stellen einen als "Teilzeit" - Politiker einige Anforderungen. Die Interessen der Bürger kann man nur vertreten, wenn man

Die Aufgabe eines Mandatsträgers ist es, der Verwaltung die politischen Ziele und Pro- gramme vorzugeben, nach denen geplant wird und Vorlagen (möglichst mit Alternativen) ausgearbeitet werden. Einige Zeit nach der Ausschuss- bzw. Ratsentscheidung ist dann zu prüfen, ob der Beschluss ausgeführt wurde, welche Wirkungen er hatte und ob damit das angestrebte Ziel erreicht worden ist. Falsch wäre es, wenn man als Ratsherr sich als "Westentaschen-Jurist" betrachtet, der unentwegt mit der Verwaltung um die bessere Ratsvorlage konkurriert. Wenn man sich als Ratsherr auf einen solchen Wettbewerb mit der professionell ausgestatteten und arbeitenden Verwaltung einlässt, ist man von vornherein chancenlos. Während meiner Ratstätigkeit gehörte ich der Mehrheitsfraktion und ab 2001 der Rats- minderheit an. Weiterhin habe ich die "Eingleisigkeit" ab 2001 erlebt; der Oberbürger- meister -direkt gewählt- ist zugleich Verwaltungschef und Mitglied des Rates. Die Neu- ordnung der Niedersächsischen Gemeindeordnung hat ab 2001 dazu geführt, dass sich nicht mehr Rat und Verwaltungsführung gegenüberstanden, sondern Ratsmehrheit und Verwaltungsführung einerseits und Ratsminderheit andererseits. Als Mitglied der Rats- minderheit ist man häufig aus dem politischen Entscheidungsprozeß ausgeschaltet und damit kann man nur schwer die repräsentierten bürgerschaftlichen Interessen im politi- schen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß einbringen.

Als Ratsherr spürt man die Besonderheit der Kommunalpolitik. Man arbeitet und lebt an der Stätte seines politischen Wirkens; man bleibt sozial eingebunden, es treffen die Auswirkungen seiner Kommunalpolitik ihn genauso wie seine Mitbürger. Man erfährt ständig, dass seine Meinungsäußerungen und sein Abstimmungsverhalten im Rat der Stadt mit kritischer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Man wird auf der Straße, bei der Arbeit oder beim Friseur darauf angesprochen. So muss man ständig Rechenschaft ablegen. Ich möchte diese Jahre als Ratsherr der Stadt Braunschweig nicht missen.

Ganz habe ich meine kommunalpolitischen Tätigkeiten noch nicht beendet, da ich 2006 als Mitglied des Stadtbezirksrates Nordstadt in dieses Organ gewählt wurde.
Zum Abschluss der Wahlperiode habe ich mich 2011 dazu entschlossen, nicht wieder zu kandidieren.

35 Jahre aktive Kommunalpolitik waren ein interessanter Zeitabschnitt, den ich nicht vermissen möchte. Wenn ich nunmehr in den politischen Ruhestand gehe, dann bedeutet dieses nicht, dass ich unpolitisch werde. Wenn es erforderlich ist, werde ich mich sicherlich als Bürger einmischen.

Ich bedanke mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die mir in den 35 Jahren ihr Vertrauen entgegengebracht haben.

Für mein kommunalpolitisches und ehrenamtliches Engagement wurde mir 2006 auf Vorschlag des Niedersächsischen Ministerpräsidenten von Bundespräsident Horst Köhler das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.